Nah dran: Kelly Murphy, Mishawaka

Kelly Murphy

Die Antwort kommt wie aus der Pistole geschossen: „Ja, die Wahl am 6. November ist extrem wichtig“, sagt Kelly Murphy. Die 28-Jährige alleinerziehende Mutter von zwei Kindern aus Mishawaka ist bodenständig und pragmatisch – und natürlich wird sie bei der Präsidentschaftswahl ihre Stimme abgeben. Doch wen sie wählen will, überrascht dann doch.  Wer Kelly Murphy über Politik reden hört, hält sie zunächst einmal für eine Anhängerin von Barack Obama. „Es ist Zeit für eine Wende“, Amerika brauchen „eine neue Richtung“, argumentiert die junge Frau mit dem dunkelbraunen Pferdeschwanz.

Aber halt, es ist ja nicht mehr 2008, als Obama mit seinem Slogan „Change“ um Stimmen warb und sowohl Indiana als auch die 50.000 Einwohner große Stadt Mishawaka im äußersten Norden es Bundesstaates gewann.

Es ist 2012, Obama ist Hausherr im Weißen Haus und sein Motto lautet nun „Vorwärts“. Genau das aber sei es in den vergangenen Jahren nicht gegangen, klagt Kelly an: „Es hat keinen Fortschritt gegeben,  überhaupt keinen!“

Im Gegenteil, Monat für Monat habe sie erleben müssen, wie ihr Gehalt immer kleiner wird. Im Restaurant, so Kelly, spüre man ganz genau, wie es der Wirtschaft und den Menschen gehen – nämlich immer schlechter, immer weniger gingen überhaupt noch aus. Dabei gibt es bei Doc Pierce an der Mainstreet von Mishakawa die besten, heißesten, fettigsten Zwiebelringe von ganz Indiana.

Kelly selbst jongliert inzwischen mit zwei Jobs, um ihre Kinder ernähren zu können. So könne es nicht weitergehen, sagt sie entschlossen. Und daher werde sie Gary Johnson wählen.

Gary wer? Ja, jener früherer Gouverneur von New-Mexiko, der in die Fußstapfen des extrem-liberalen Ron Paul getreten ist und der als einer von drei weiteren völlig unbekannten Kandidaten mit Barack Obama und Mitt Romney um die Präsidentschaft wetteifert.

Natürlich ist Johnson ohne Chance, das ist auch Kelly klar. Aber was solle sie denn sonst machen? „Ich wähle das geringste Übel“, sagt sie ein wenig trotzig. Und räumt ein: „Ich weiß doch auch nicht, in welche Richtung der nächste Präsident gehen soll. Aber ich glaube, dass weiß auch sonst keiner.“

Kellys Worte stehen für eine weit verbreitete Unsicherheit vieler Wähler in Amerika, die Barack Obamas Siegeschancen schwer belasten. Denn wenn die Kellnerin aus Mishawaka und einige andere Gary Johnson wählen, könnten dem Demokraten am Ende die entscheidenden Stimmen fehlen. 2008 hatte Obama den County St. Josephs mit Mishawaka mit einem Vorsprung von 20.000 Stimmen deutlich gewonnen. Und es waren ziemlich genau nur 20.000 Stimmen, die Obama am Ende in Indiana vor seinem damaligen Konkurrenten John McCain lag.
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Dieser Beitrag ist Teil eines Reise durch einige US-Bundesstaaten, die bei der Wahl am kommenden Dienstag besonders wichtig sind. Weitere Fotos gibt es hier, die geplante und tatsächliche Reiseroute sieht so aus:

US-Wahlkampfreise Midwest 2012 auf einer größeren Karte anzeigen

Georg Watzlawek

Autor: Georg Watzlawek

Journalist, Ökonom, Blogger. Lokal global, mit einem besondern Blick auf die USA, Russland und Bergisch Gladbach.